AW: Sind Schulnoten repräsentativ? Wenn ja, wofür?
Ich würd' gerne nochmal auf unser geliebtes Schulsystem kommen:
Ich persönlich lebe in Brandenburg und besuche dort mein örtliches Gymnasium. In Brandenburg ist es per Gesetz festgelegt, dass die weiterführende Schule erst ab der 6. Klasse besucht wird, mit einer Ausnahme: Es gibt sogenannte LuBK Klassen, Leistungs- und Begabungsklassen. Auch ich besuche seit der 5. Klasse eine solche. Damals hat man mir und meinen Eltern versprochen, wir Schüler würden dort a) effizienter (da wir z.B. Physik schon 1 Jahr früher hatten als die Grundschüler) und b) projektorientierter lernen (spielerisch lernen, mehr Abwechselung, nicht nur ständig Frontalunterricht). In der Realität sah das aber ganz anders aus, als erhofft: Es stimmt schon, wir basteln sehr oft Plakate oder müssen uns Sketche für die Sprachenfächer ausdenken, aber das alles benötigt eben auch Zeit. Zeit, die wir im Nachhinein dann abends zu Hause mit dem Abschließen der Projekte verbringen dürfen, und mittlerweile gehen wir genau den selben Lehrplan, in genau der selben Zeit durch, wie unsere Parallelklassen.
Desweiteren gibt es fast jährlich tiefgreifende Veränderungen unseres Landesbildungsgesetzes, und alle bedeuten im Endeffekt mehr Stress für die Schüler: Vor 2 Jahren wurde bspw. beschlossen, dass jetzt jeder Schüler den Leistungskurs in Mathe, Deutsch und Englisch belegen muss. "Universelle Chancen haben", heißt es. Der Nachteil: Ab sofort nur noch Bio oder Physik LK, sowie Geschichte oder Geographie LK. Ich als Schüler, der später gerne Ethnologie studieren will, stehe jetzt vor der Frage, welcher LK wohl für meinen Berufswunsch am wichtigsten wäre, früher hätte ich Geschichte und Geo gewählt und wäre damit auf der sicheren Seite gewesen. Aber davon mal ganz abgesehen: In allen Hauptfächern im Leistungskurs Abitur zu schreiben, muss bestimmt nicht sehr angenehm, was das Lernen angeht, gewesen sein. Glücklicherweise muss man nun zumindest die Prüfung nicht mehr schreiben, dennoch muss man das Fach belegen. Und hier kommt gleich das nächste Problem: Beispiel Mathe LK - früher konnte der Lehrer mit seinen natürlich relativ matheinteressierten und vor allem -begabten Schülern wesentlich schneller vorankommen, jetzt muss er alle durchboxen - zum Leiden aller.
Und nun, kommt die Krönung: Ab 2018 gibt es bis zur 6. Klasse kein Biologie und Geschichte mehr. Dafür gibt es dann das Fach "Naturwissenschaften". Okay, ich muss hier schon eingestehen, die Vorteile liegen klar auf der Hand: Das Problem "Fächerübergreifender Unterricht" wird de facto ausgeschaltet und in unserer immer schneller wachsenden Welt ist es wichtig, bei einer immer größeren Masse von Information, diese auch zu beherrschen, und genau hier liegt das Problem: Erinnert sich noch jemand an das Fach "Sachkunde"? Für mich war es ehrlich gesagt nur ein Fach, wo ich Dinge beigebracht bekam, die ich eigentlich schon längst wusste, die Grundlagen eben. Ich habe Angst, dass das Fach "Naturwissenschaften" zur Fortsetzung von Sachkunde werden könnte und dann alles zwischen der 7. und 10. Klasse durchgepaukt werden muss - selber Inhalt, kürzere Zeit. Ähnlich wird es dem Fach Geschichte gehen: Bis zur 8. nur noch eine Wochenstunde aber trotzdem den selben Stoff durchgehen müssen. Für den Schüler in der 7. Klasse heißt das 1000 Jahre Mittelalter in einem Schuljahr. Dafür weiß ich dann aber durch meinen Leistungskurs in Mathe, wie ich die String-Theorie berechne. Was diese ist, das ist nebensächlich. Wie würde ein guter Freund von mir jetzt sagen: "Ich freue mich schon darauf, wenn meine Kinder später im Abitur Sachkunde das Wachstum eines Sonnenblumenkerns im 5-dimensionalen Raum berechnen dürfen". Desweiteren haben natürlich auch die Lehrer ihre Probleme: Der Physiklehrer darf nun nochmal Biologie an der Abendschule nachholen. Fortbildungen gibt es nur noch im Bereich Medien, dem fortan wichtigsten Bereich der Schule. Die Schüler dürfen Filme drehen, während die Lehrer nicht mal wissen, was Adobe Premiere Pro ist.
Wir sehen also: Alles in allem schaffen es unsere lieben Politiker, jedes Jahr aufs neue, Schülern wie Lehrern neue Arbeit aufzubrummen. Bestätigen Umfragen des Landeslehrer- und Landesschülerrats doch, dass 65% der Lehrer und Schüler unzufrieden mit den geplanten "Reformen" unzufrieden sind, werden sie von der Regierung, die selbst schon über 30 Jahre nicht mehr in der Schule war, doch durchgesetzt. Ich versteh es einfach nicht ...