AW: Was denkt ihr über Mainstream-Musik?
Ich schweife mal ein bisschen aus:
Definition Mainstream
Wie genau definiert man überhaupt Mainstream? Ab wie vielen Zuhörern spricht man von einem Mainstream Titel? Erst, wenn der Titel in den Top Charts unter die ersten 50 kommt oder reichen auch 100.000 Klicks auf YouTube?
Das lässt sich sehr schwierig analysieren, daher ziehe ich eher gerne die Tracks selbst heran, die durch ihre Einfachheit beziehungsweise Gleichheit mit anderen vergleichbaren Tracks meist negativ herausstechen. "Mainstream" lässt sich schwierig bewerten, denn wer sagt, dass z.B. das Pop-Genre nur "Mainstream" ist, hat vielleicht nur in einer Hinsicht recht: Das Pop-Musik in den letzten 30-40 Jahren außerordentlich an Zuwachs in der Hörerschaft dazugewonnen hat, was aber nicht heißt, dass dieses Genre wenige Veränderungen in Bezug auf Instrumente/Klangstruktur in den letzten Jahren erfahren hat.
Mainstream bezeichnet also nicht anderes als die Vorherrschaft eines einzelnen Titels oder einer Gruppe von Titeln eines Genres über das anderer Werke desselben Genres.
Meine Sichtweise:
Aufgrund vieler Erfahrungen im Bereich Sounddesign gibt es für mich für jeden Titel mehrere Metaebenen, auf denen sozusagen Sympathiepunkte gesammelt werden können. Allen voran steht natürlich die subjektive Empfindung des Tracks, was auch sehr vom Allgemeinbefinden (derzeitiger emotionaler Gemützzustand) abhängt.
Was mich vorallem an per Definition "Mainstream"-Musik stört ist die Tatsache, dass die Klangstrukturen, die verwendeten Instrumente, der Takt, Synthesizer usw. durch andere Genrevertreter bestimmt werden. Die Musiklabels trauen sich daher nicht mehr, innovative, neue Elemente zu schaffen, sondern bereichern sich an dem Erfolg anderer Küsntler. Das sehe ich schon fast als Kopie an, insbesondere bei meiner Meinung nach nicht ernstzunehmenden "Produzenten" wie Dieter Bohlen, der gerne mal 80-90% einfach aus wenigen Quellen zusammenklaut.
Wichtig ist hierbei natürlich die Erkenntnis, dass sich auch vermeintlich innovative, neue Musik immer auf alten Eindrücken aufbaut oder der Musiktheorie (siehe Klassik) entspringt und es daher fast unmöglich ist, etwas gänzlich neues zu erschaffen.
Danach kommt die allgemeine (objektiv beurteilbare) Qualität des Titels, dazu zählt bei mir zum Beispiel der Dynamikumfang und die Lautheit eines Titels, ob einzelne Instrumente deplatziert wirken oder zu laut/zu leise sind, ob man trotz hochqualitativer Quelle gar Übersteuerung (Clipping) oder Rauschen wahrnimmt. Das sind alles störende Faktoren, die, sofern sie nicht so vom Produzenten gewollt eingebaut wurden, das Hörerlebnis stören. Gerade japanische Tracks neigen zu einer sehr stimmenbetonten Auslegung mit undifferenziertem Klangbild und vorallem einer Lautheit, die seinesgleichen sucht. Die "Mainstream" Musik Industrie im japanischen Raum gleicht aber oftmals auch einer reinen PR Kampagne, wo mit hübschen Idols eher als mit guter Musik geworben wird. (siehe AKB48)
Objektiv lässt sich das ganze nur durch herausragendes Equipment beurteilen, doch auch hier gibt es physikalische Grenzen, womit ich euch aber nicht langweilen möchte.
Das größte Problem bei Mainstream Musik sehe ich aber eher woanders: Musik wird als Dahergedudel wahrgenommen, gut platziert von Werbefirmen genutzt und dient daher eher als Platzhalter (Radio in Einkaufszentren...). Dies trägt dazu bei, dass Musik von vielen scheinbar nicht mehr als ein individuelles, persönliches Erlebnis wahrgenommen wird, sondern als Hintergrundgeräusche. Musik ist persönlich, ein Ereignis, dass mit Emotionen behaftet sein sollte, was eben ein kulturelles Gut ausmacht.
Heutzutage scheint dies nicht mehr von allzu großer Bedeutung zu sein, Medien entscheiden, was angesagt ist und kleine Künstler werden gewissermaßen durch diesen Einheitsbrei diskriminiert. Liefern sie nicht dasselbe ab, kriegen sie nichts mehr von dem ohnehin schon beschnittenen "Kuchen" ab. Mit Musik als alleinige Arbeit lässt sich nur in ein paar geglückten Einzelfällen noch der Lebensunterhalt bestreiten. Gerade Medien üben einen großen Einfluss darauf ein. Nehmt z.B. Miley Cyrus. Ich kenne keinen ihrer Titel, der Name ist mir dennoch geläufig und kann so als werbewirksam bezeichnet werden. Boulevard-Presse hin oder her, irgendwie bekommt man es ja selbst mit, wenn man wenig Fernsehen schaut. Oder Nicki Minaj, die meiner Meinung nach nicht nur schlechte Musik macht (siehe "Anaconda" Video) sondern dafür auch noch viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt bekommt, weil sie einen "großen Hintern" hat.
Im Allgemeinen hat sich der Umgang mit Musik verändert, dazu muss man sich nur Konzerte aus bspw. den 60er oder 70er anschauen (Woodstock oder ab 1990 Lollapalooza). Die Leute tauchen ein in die Musik, tanzen und zeigen ihre komplette Aufmerksamkeit demjenigen, der vorne auf der Bühne sein Bestes gibt. Im Vergleich zu heute sehe ich da eher eine Masse von Menschen, die sich mit ihren Smartphones und teilweise Tablets selbst in der Nacht dabei filmen, wie sie ein Konzert besuchen. Abgesehen von der Kartoffel-Qualität der daraus entstehenden Aufnahmen sieht es so aus, als wollte man sich nur selbst profilieren: "Hey guckt, ich bin da, bei Künstler XY". Im Zuge von "sozialen" Netzwerken darf man natürlich nicht nur den Fehler bei den Menschen sehen, die eben genau das oben beschriebene machen, doch kann ich das nicht anders interpretieren. Wer bei 120db und Objektivdurchmesser von 1,5cm realitisch erwartet, sich solche Aufnahmen nochmal zu geben hat wohl den Verstand verloren. Nungut, das ist Off-Topic.
Nun ein wenig eigentlich privates:
Ich kenne einige Musiker, die es aufgrund ihres Stils schwierig auf dem Massenmarkt haben und Downloads zwischen 50.000-100.000 auf freien Plattformen erzielen. Diese Menschen investieren viel Zeit in ihr Hobby und versuchen, einen eigenen Stil abseits des "Mainstreams" zu entwickeln. Logischerweise gibt es dann auch den einen oder anderen Aufreger, wenn ein Titel nur aufgrund des Namens des Künstlers gehyped wird, obwohl die Songstruktur sehr einfach gestrickt ist und man so einen Track wohl selber innerhalb weniger Stunden zusammenstellen könnte. Man fragt sich natürlich: Warum gebe ich meine Musik weiter, wenn ich auch 08/15 Titel machen kann und sich dadurch vielleicht Millionen von Menschen an meinen Künstlernamen binden?
Abschließend möchte ich Mainstream Musik jedoch nicht so pessimistisch darstellen, wie ich es hier getan habe. Es gibt ein paar wenige Ausnahmen, in denen es auch gute und außergewöhnliche Aufnahmen unerwarteterweise in die Charts schaffen. Zugegebenermaßen ist Musik vorallem ein subjektives Empfinden, was nur schwierig in Worte gefasst werden kann. Objektive Betrachtungsweisen sind nur Hilfsmittel und werden stark durch vorhandenes Equipment eingeschränkt.
Daher meine ehrliche Empfehlung:
Kauft euch einen guten MP3-Player oder wenn ihr nicht vergleichen wollt einen IPod (klanglich gut ausgestattet) und ordentliche Kopfhörer ab 50€ und genießt Klangwelten auch abseits des Mainstreams. Guckt nicht nur in die Chart-Titel sondern auch in die korrespondierenden Alben hinein. Sucht euch gute Quellen heraus, ein 3MB großer 4 Minuten langer Track kann qualitativ gar nicht überzeugend sein, geschweige denn ein YouTube Video mit der altbekannten Kompression.
Und vorallem: seid nicht der Bulk aus im Bus hinten sitzenden Jugendlichen mit übersteurter Hip-Hop Musik aus Mono-Handylautsprechern!