AW: Welche Entscheidung würdet Ihr treffen?
Aber sag mal,
1182 schrieb:
, wie ist eigentlich deine Position dazu. Du hast nun sehr viele Fragen gestellt und Denkanstöße gegeben, aber eine klare Position hast du bisher vermieden. Wie würdest du dich entscheiden und wo läge deine Grenze?
Ich erwähne gleich zu Beginn, dass ich oft vom eigentlichen Thema abweichen kann, da ich sehr gerne in Gedanken versinke. Wie fange ich denn am besten an...
Für mich sind philosophische "Disziplinen" schon ziemlich wichtig. Ethik, Rationalität etc. Ich bin ein Mensch, der anderen Menschen möglichst kein Leid zufügen möchte; mir ist auch bewusst, dass ich hier viele Informationen über mich preisgebe, welche andere "böse" Menschen ausnutzen könnten. Aber ich erzähle es euch trotzdem. Warum tue ich das? Wo kommt das Vertrauen her? Wieso vertraue ich euch? Was ist Vertrauen überhaupt? Wieso gibt es das? Das mag alles paranoid klingen, aber ich finde, dass es manchmal sogar gut, "gesund" ist, so zu sein. Man sagt doch manchmal "Vertraue niemandem. Vertraue niemandem außer dir selbst". Ich bin ein einsamer Wolf, der auf eigene Faust handelt. Meistens. In Gruppen fühle ich mich nicht so wohl. Ich bin ein gutmütiger Mensch, der jedem vertrauen könnte, aber diese Naivität ist sehr gefährlich, ja sogar tödlich in dieser Welt. Andererseits bin ich auch ziemlich misstrauisch und paranoid. Ich weiß, dass das paradox ist, aber es ist so. Ich bin ein Mensch, der gerne anderen Menschen helfen möchte, wenn es in meiner Macht liegt (und ich zugegebenermaßen nicht zu faul dafür bin). Das bezieht sich dann aber meistens auf Menschen, die ich irgendwie kenne. Aus der Schule oder so. Fremden Menschen kann ich weniger helfen. Klar helfe ich gerne jemand Fremdem, der etwas auf den Boden fallen gelassen hat und es aufheben möchte oder so. Aber wenn mich jemand fragen würde "Hey, kannst du mit mir mitkommen? Ich brauche Hilfe", wäre ich misstrauisch. An dieser Stelle möchte ich auch fragen: Warum helfen wir anderen Menschen? Der Hauptgrund ist wohl, dass wir so erzogen worden sind. Aber wieso? Das ist wohl auch klar; damit man friedlich zusammen leben kann. Wenn man sich gegenseitig hilft, baut man Beziehungen auf, die (idealerweise) zu guten, richtigen Freundschaften werden. Wenn das tatsächlich so wäre, wäre das schon eine viel bessere Welt; es wäre fast schon utopisch. Aber so, wie die Menschen nun mal sind, ist das praktisch nicht umsetzbar. So, wie die Menschen sind, ist das ein Ding der Unmöglichkeit, davon bin ich überzeugt. Da ich schon dabei bin, möchte ich noch etwas erwähnen. Wieso helfen wir anderen Menschen? Was bringt uns das? Und überhaupt: wieso stelle ich die Frage "Was bringt uns das"? Da steckt etwas drin. Ein Verlangen steckt drin. "Wenn ich jemandem helfe, werde ich eine gute Beziehung zu ihm haben" oder so. Im Endeffekt würde es auf "Profit machen" kommen. Ich spinne mal etwas weiter. Wie baut man Beziehungen auf? Kontakte? Der Mensch ist ein soziales Wesen, er muss mit anderen Menschen kommunizieren, um am Leben zu bleiben. Also muss er mit anderen Menschen irgendwas anfangen müssen. Für diese Prozesse ist Vertrauen wichtig. Theoretisch könnte man jedem vertrauen, wenn jeder friedliche Absichten hätte, aber das ist nur eine erfundene Illusion bzw. nur ein Traum, der wahrscheinlich immer ein Traum bleiben wird. Man kann also nicht mit jedem Menschen Kontakt aufbauen. Daher ist es wichtig und für jeden Menschen eine lebenslange Aufgabe, mit wem er Kontakte aufbaut. Lange Rede, kurzer Sinn: So erschafft man sich Freunde. Man hilft sich gegenseitig und gewinnt Vertrauen. Familie funktioniert so ähnlich.
Ich hoffe, ihr versteht, was ich meine.
Nun, ihr fragt euch sicherlich, was das Ganze mit dem eigentlichen Thema zu tun hat; darauf werde ich später eingehen.
Jetzt widme ich mich (endlich) dem eigentlichen Thema. Es ist schwierig und nicht pauschal zu beantworten. Gerne würde auch ich die Menschen retten wollen, die mir wichtig sind, aber es spielen einfach zu viele Faktoren eine Rolle. Faktoren, auf die ich kaum oder keinen Einfluss habe oder haben darf. Ein Beispiel: Eine wichtige Person liegt im Sterben. Aber sie sagte (als es ihr noch gut ging zum Beispiel), dass sie ihr Schicksal oder wie wir das auch immer bezeichnen möchten akzeptieren wird. Und dass es eine Verletzung ihrer Würde/ihres letzten Wunschs wäre, wenn irgendjemand da eingreifen würde. Wie soll ich damit umgehen? Wäre es unhöflicher, diese Person sterben zu lassen oder meinem egoistischen Ziel zu folgen und den letzten Wunsch dieser Person zu verwehren und damit die Würde zu verletzen? So schwer es mir fallen würde den Verlust dieser Person zu verkraften, würde ich sehr schwerfällig dem letzten Wunsch nachkommen. Ich habe nicht das Recht Gott zu spielen. Zudem ist es ja ungewiss, was auf mich zukommen würde, wenn ich eine Person rette. Da spielt auch die Viele Welten-Theorie eine Rolle. Durch jede einzelne Aktion kann ich den Lauf der Dinge verändern und neue Weltenlinien erschaffen. Eine, in der ich hier an diesem Text arbeite, eine, in der ich jetzt schlafen gehe, eine, in der ich gerade pople usw. Darauf möchte ich jetzt aber nicht ausführlich eingehen.
Ich kann die Zukunft sehen. Bzw. eine Zukunft. Ich würde mich fragen, wieso ich überhaupt diese Gabe habe. Ich finde so etwas viel zu anstrengend. Immer und überall die Geschehnisse zu sehen, die stattfinden werden. Selbst für die ausführlichsten Denker wäre das zu viel. Normale Menschen können abschalten und sich entspannen, aber unsere Gabe ist immer da, "läuft" wie ein Organ, wie das Herz, das Gehirn oder die Lungen, also auch wenn wir schlafen. Wir sehen endlos Dinge und müssen immer wieder entscheiden, wie wir handeln. Ehrlich gesagt hätte ich wirklich keinen Nerv für so etwas. Aber ich versetze mich in diese Lage und gehe davon aus, dass ich damit leben muss und dass ich diese Gabe nicht abschalten kann. Und dass ich Kleinigkeiten mal weglasse und auf das Extrembeispiel eingehe, dass ich selbst euch gestellt habe. Ein Beispiel habe ich genannt; das mit dem letzten Wunsch eines im Sterben liegenden Menschen. Also jemand, der bspw. im Koma liegt oder verblutet oder so. Oder allgemein jemand, der noch viel Lebenszeit hat, aber sich schon sicher ist, dass sein letzter Wunsch es ist, dass sich niemand einmischt, wenn es ernst werden sollte. Hier sollte das klar sein. Aber wie wäre es damit, wenn die Person, von der ich den nahen Tod sehe, sich nicht dazu geäußert hat bzw. geäußert hat, dass sie jede erdenkliche Hilfe annehmen würde? Das wäre viel komplizierter. Nichts zu tun und nur zuzuschauen wird oft mit versagen/schwach sein in Verbindung gesetzt. An dieser Stelle kann man sich fragen, ob es richtig ist, einen Menschen zu retten oder dem Gesetz der Natur zu folgen. Und dabei kann man sich fragen, was überhaupt "richtig" oder "falsch" ist. Jedenfalls steckt man in einem Dilemma. Aber bei mir ist das nicht ganz so schwierig zu beantworten. Ich habe keine richtigen Freunde, ich habe eigentlich nur meine Familie. Und alle sind religiös und glauben an Gott. Deswegen akzeptieren sie auch ihr Schicksal. Zumindest gehe ich davon aus, direkt gefragt habe ich das niemanden. Deswegen würde ich es für richtig halten, deren Willen zu folgen.Ob ich das persönlich haben möchte, ist eine andere Sache, denn es geht um egoistische Ambitionen. Will ich das? Will ich, dass der Tod mir meine wichtigen Mitmenschen wegnimmt? Mich immer einsamer werden lässt? Selbst wenn ich das nicht verkraften und durchdrehen würde, muss ich das akzeptieren. Schließlich ist es wichtig, mit dem Thema Tod gut umzugehen, der Tod ist etwas Natürliches und gehört zum Leben dazu. Stellen wir uns Folgendes vor: Jeder Mensch hat die Gabe, die/eine Zukunft zu sehen. Entweder würde man sich gegenseitig töten oder utopisch gedacht, würde man alle retten können und jeder würde friedlich diese Gabe nutzen, dann wäre die Welt noch viel schneller überfüllt und Nahrungsknappheit, Platzmangel und Krankheitsausbreitung wären ein großes Problem.
Es ist sehr schwierig. Wenn ich wüsste, was die Konsequenzen meines Eingreifens jedes Mal sind, würde ich so handeln, womit es die geringsten Verluste gibt. Aber genau das ist nicht gegeben. Also die Konsequenzen zu sehen bevor ich jemanden rette. Erst nachdem ich jemanden gerettet habe, kann ich diese neu erschaffene Weltenlinie bzw. deren Zukunft sehen. Und das jedes Mal, wenn ich eingreife. Wenn ich eine Person rette, dafür aber jemand anderes stirbt, wäre das für mich moralisch verwerflich. Ich bin ein Mensch mit (großem) Gewissen und ich würde es mir nicht verzeihen, dass meinetwegen jemand gestorben ist. Wenn aber noch mehr Menschen davon betroffen wären, würde ich mich wie einen Massenmörder sehen. Ich wusste, dass die Wahrscheinlichkeit besteht, dass andere Menschen gefährdet werden können und habe trotzdem die Wahl getroffen, eine mir wichtige Person zu retten. Das ist egoistisch. Ziemlich egoistisch. Ich finde Gerechtigkeit sehr wichtig und daran ist nichts gerecht. Wie
11814 schrieb:
es erwähnt hat, gibt es in unserer Welt keine "richtige" Gerechtigkeit. Die meisten von euch bzw. ihr alle habt geschrieben, dass es euch egal wäre, was mit anderen passiert, wenn ihr euch wichtige Menschen rettet. Diese Einstellung ist nicht gerecht und das wisst ihr auch und dennoch drückt ihr beide Augen zu. Ich könnte damit nicht umgehen. Ich würde mir Selbstvorwürfe machen Diese Verantwortung wäre mir zu groß. Ich versuche möglichst immer mich den Konsequenzen meiner Taten zu stellen, aber wenn Menschen aufgrund meiner Entscheidungen (unschuldig) sterben (werden), kann ich das nicht verkraften. Ich muss die Verantwortung übernehmen, aber sie würde mich zerquetschen
An dieser Stelle würde ich aufhören, über mich zu erzählen und möchte wieder ein paar Fragen stellen.
Ganz zu Beginn hatte ich von Vertrauen und so geredet bzw. geschrieben. Für manche Menschen sind Freunde wichtiger als Familie, für andere Menschen ist Familie wichtiger als Freunde. Für mich ist meine Familie wichtiger als meine Freunde. Aus dem Grund, dass ich eigentlich keine Freunde habe. Und meine Familie akzeptiert mich so, wie ich bin. Deswegen betrachte ich das aus dieser Sicht. Meine Fragen werden sich also auf eure Freunde richten. Wie fange ich denn am besten an...um Zeit und Kraft zu sparen, werde ich hier ein wenig kürzen. Ihr könnt die Zukunft eurer Familie sehen und ihr wird nichts passieren, also braucht ihr euch um eure Familie nicht zu sorgen. Deswegen betrachten wir nur eure Freunde. Wir haben (realistisch gesehen) nicht alle Informationen, die wir brauchen. Wir behaupten gerne, dass wir alles über Person/Freund xy wüssten, aber stimmt das denn auch? Ich persönlich halte so etwas für Trugbilder. Ein Extrembeispiel: Ihr helft einem Freund. Dieser Freund hat wie alle anderen Menschen auch die Gabe, die/eine Zukunft zu sehen und steht selber vor der Entscheidung, über Leben und Tod anderer Menschen zu entscheiden. Er rettet eine Person, sieht dann aber eine Zukunft, in der ihr dafür sterben werdet. Aber er handelt nicht mehr. Er lässt euren Tod zu. Da ihr die Gabe auch habt, sehr ihr das ebenfalls. Das heißt, wenn ihr nicht handelt, sterbt ihr. Um nicht zu sterben, müsst ihr also handeln. Wie geht ihr mit so einer Entscheidung um? Was würde aus der Freundschaft werden? Würdet ihr deswegen die Freundschaft kündigen und eurem Freund nicht verzeihen? Oder würdet ihr dennoch die Freundschaft aufrecht erhalten?
Ich würde wohl noch weiter schreiben, aber ich sitze schon über 3 Stunden an diesem Text und es ist schon sehr spät, weswegen ich meinen Roman hier beende. Weiteres kann später folgen.