Warnung:
SPOILER / TRIGGER-WARNING
Ich habe mir zum zweiten Mal Hayao Miyazakis "Der Junge und der Reiher" im Kino angesehen und musste nun einen Post hier schreiben, da der Film mir stetig im Kopf geistert, sodass ich mir zwischendurch noch diverse Analysen auf YouTube, tumblr und Reddit ansehe bzw. durchlese. Auch ist mir Hayao Miyazaki selbst "wieder" einmal sehr präsent geworden, weshalb ich mir auch wieder viele Interviews von ihm wieder ansehe.Also großer Ghibli/Hayao Miyazaki Fan sowie Cineast und fertiger Medienstudent hatte ich viele Gefühle während des Films. Das hat dazu beigetragen, dass ich den Film nochmal gesehen habe und nun begeistert bin und den Macher wieder einmal mit anderen Augen sehe.
Anscheinend, beinhaltet "Der Junge und der Reiher" eine Reihe autobiografischer Elemente und ist eine Mischung aus Miyazakis Kindheitserinnerungen/-wünschen/-ängsten und Inspirationen seiner Lieblingswerke. Daher scheint es kein Wunder zu sein, dass er in diesem Film Krieg, Verlust, Traum sowie Trauma thematisiert und andere Werke zur Inspiration gezogen hat. (Den Film hatte Miyazaki wohl schon vor Jahren als Buch verfasst). Auch spekulieren viele, dass sich Miyazaki in diesem Film über sein Vermächtnis Gedanken gemacht hat und dies anhand Mahito und anhand des Großonkels darstellt. (Es könnte aber auch sein Sohn gemeint sein).
Ich hab hierzu eine sehr gutes Video gefunden, was viele Parallelen im Film mit Beweisen deutet. Anstatt hier alles aufzuführen, hier mal der Link:
So basiert der Film wohl auf mehreren Büchern, u. a. einem Buch aus dem Jahr 1937: How do you Live? (Yoshino, Genzaburo )
Da ich Bücher und Filme liebe, die mich zum Nachdenken bringen, habe ich mir dieses natürlich gekauft und kann es kaum erwarten es zu lesen.
Anscheinend diente dieses Buch, japanischen Kindern und Teenagern damals im Bereich "Coming of age", um Verluste zu bearbeiten sowie sich philosophisch mit dem Leben und seinen Hürden auseinanderzusetzen.
Meine Keypoints:
- Der Film wirkt, gerade stilistisch und bildtechnisch, wie eine Mischung aus seinen vergangenen Werken. Es werden viele Elemente, die man zuvor in seinen anderen Filmen gesehen hat, einem nochmal ins Gedächtnis gerufen. Gerade "Chihiros Reise ins Zauberland" und "Prinzessin Mononoke" sowie "Nausicaä" sind mir besonders schnell im Kopf aufgeleuchtet.
- Szenerie, Dialoge und Musik (natürlich von Joe Hisaishi) wieder einmal umwerfend kombiniert
- Mahito war mir anfangs (genau wie Anna aus "Erinnerungen an Marnie") nicht wirklich sympathisch, allerdings habe ich doch eine positive Charakterentwicklung bei ihm gesehen. Er soll wohl auch Miyazaki verkörpern.
- Groteske Bilder ähnlich wie bei "Prinzessin Mononke" zeigen nochmal, dass das kein typischer Kinderfilm ist. Auch die Szene, in der sich Mahito selbst verletzt zeigt doch eine düstere Seite, die später im Film nochmal positiv aufgegriffen wird (im Sinne der Überwindung).
- Viele Vögel. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich Wellensittiche gruselig finden könnte.
- Mir ist noch stärker bewusst geworden, dass Miyazaki seinen Fokus auf weibliche Charaktere legt. Oftmals werden gerade die Väter in seinem Film als dümmlich, impulsiv und unüberlegt dargestellt (so meine Meinung). So auch hier mit Mahitos Vater, der seinem eigenen stark ähneln soll.
- Der Film hatte so viele fantasievolle Elemente und ist doch immer wieder zur Tatsache zurück gekommen. In der Traumwelt, die teilweise auch die Hölle darstellt, wird das interessant verpackt.
- Mahitos neue Mutter Natsuko ist ebenfalls ein spannender Punkt: 1. Der Vater heiratet die Schwester seiner verstorbenen Frau (wohl damals nicht so unüblich) und 2. sie spricht im Film in einem unglaublich höflichen japanischen Akzent zu Mahito und später doch, in einer Szene in der Traumwelt, schreit sie Mahito an, dass sie ihn hasst. Dieser eine Bruch ist für mich zwar irgendwie nachvollziehbar, andernfalls aber auch doch zu drastisch. Auch warum sie freiwillig(?) in den Turm gegangen ist, habe ich noch nicht verstanden. Umso schöner, dass Mahito sie als Mutter zu akzeptieren scheint. Dennoch irgendwie kompliziert aber nachvollziehbar, gerade bei einem Kind, dass die eigene Mutter verloren hat und die neue Mutter bereits schwanger ist. Das zeigt wohl auch die Aspekte aus dem Buch "How do you live?" wie solche schnell aufeinanderfolgenden Veränderungen einem zusetzen.
Fazit
"Der Junge und der Reiher" ist definitiv kein "einfacher" Film und deutlich symbolischer als alle anderen Ghibli Filme. Ich hatte kurzzeitig die leichte Befürchtung, dass solch ein Film aus der japanischen Sicht eines Animisten, es im Westen schwierig haben wird. Allerdings hat der Film schon diverse Nominierungen erhalten und wohl einige Rekorde gebrochen (wie damals schon mit Chihiro).Auch liest man überall wieder es soll sein letzter Film sein. Allerdings wird auf X und japanischen Kanälen darüber gesprochen, dass Miyazaki wohl gerade erst wieder "aufblüht" und nicht zu stoppen sei.
Auf der einen Seite könnte dieser Film als Abschluss dienen, da er viele metaphorische Symbole beinhaltet. Auf der anderen Seite, hat Miyazaki schon öfter gesagt er hört auf, nur um sich zurückzuziehen und im Stillen an einem neuen Werk zu arbeiten. Wiederum stand das Studio Ghibli auch schon öfter auf der Kippe was auch mit der japanischen Verschlossenheit gegenüber dem Westen zu tun hat.
Gerade in einer Zeit, wo nur noch Superhelden-Filme (hab viele Marvel Filme gesehen, bin aber kein wirklicher Marvel-Fan) und Disney (leider mit WISH komplett in die falsche Richtung gegangen) wortwörtlich ausgeschlachtet werden, hoffe ich doch sehr, dass Miyazaki uns so lange er noch kann mit seinen Filmen zum nachdenken bringt. Natürlich gibt es auch andere Anime-Studios die gute Filme machen. Beispielsweise habe ich letztes Jahr "Suzume" gesehen und fand ihn auch gut. Allerdings ist dieser Film "sehr modern" und keinesfalls mit Ghibli zu vergleichen.
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