Ich wüsste nicht, warum das eine Frechheit sein sollte. Eine Frechheit von wem wem gegenüber? Frech nicht, aber schade ist es auf jeden Fall. Es gibt keinen Vertrag oder eine Vereinbarung, die besagen, dass Werke von Key auf Deutsch in den deutschsprachigen Raum kommen sollen. Fanübersetzungen sind vollkommen freiwillig und hängen von der freien Zeit ab, die das Team zur Verfügung hat. Die Lust und Motivation kommen dann noch hinzu.
Ich persönlich finde aber, dass es das Mindeste wäre, wenigstens halbwegs gutes Englisch zu beherrschen. Es muss kein Muttersprachniveau sein, auch kein Business English-Niveau. So viel, dass man durch den Alltag (als Tourist bspw.) kommen würde, würde schon reichen. Englisch ist als Deutscher wesentlich einfacher zu erlernen als Japanisch, zumal auch Englisch in der Schule beigebracht wird. Dass japanische "Nischenprodukte" überhaupt auch auf Englisch erscheinen, ist eine Freude wert. Damit meine ich Werke von Entwicklern, die außerhalb Japans kaum bis gar nicht bekannt sind. Square Enix dürfte jedem ein Begriff sein. Aber Key eher weniger. Ein normaler deutscher Bürger, der mit Japan nichts zu tun hat, dürfte sowas wie Visual Novels wahrscheinlich nicht kennen, ein normaler nordamerikanischer Bürger wahrscheinlich genauso.
Wenn das Interesse groß genug ist, finden sich meist Publisher, die die Werke dann auch offiziell in der jeweiligen Sprache veröffentlichen. Wenn das Interesse nicht groß genug ist oder es groß genug ist, aber nirgendwo ankommt, dann sind offizielle Übersetzungen eher selten. Da springen dann Fanübersetzer ein, die das aus Enthusiasmus und Leidenschaft tun.
Und ganz am Rande: Vielleicht macht das auch keiner, weil sie nicht beim Programmieren und Übersetzen wieder und wieder mit der Emotionsachterbahn von Key fahren wollen. Man stelle sich nur vor, wie man "kritische" Stellen in der Story mehrmals ansehen muss, um jegliche technische und sprachliche Fehler zu vermeiden.
Gutes Beispiel Clannad after Story: Vielleicht ist man (mittlerweile) ein frisch gewordener Vater oder Mutter geworden oder man ist kurz davor, seitdem man das letzte Mal Clannad geschaut hat. Wenn man kein emotional völlig abgestumpfter Mensch ist, trifft Clannad einen hart. Ich denke, als jemand, der ein eigenes Kind hat, erlebt man Clannad viel intensiver. Wenn nun also ein junger Vater oder junge Mutter im Team sitzt, das Clannad übersetzen sollte, muss man sich auf einiges gefasst machen.
Manche mögen vielleicht nur denken: "Das ist alles nur fiktiv". Das stimmt ja auch. Aber was ist, wenn man weiterdenkt? "Tomoya könnte ich sein. Wie würde ich mit der Situation umgehen? Würde ich das überhaupt verkraften?" Die reale Welt ist erbarmungslos, es wird kein gutes Ende wie in Clannad geben, wenn man wichtige Dinge im Leben verliert. Was weg ist, bleibt weg. Wenn man sich solche Gedanken macht, treffen Werke wie Clannad einen ziemlich hart.