AW: Sind Schulnoten repräsentativ? Wenn ja, wofür?
Schulnoten sind vorallem eins: ein subjektiver von dem Lehrer/der Lehrerin auf Erfahrungen mit der jeweiligen Person aufbauende ausgewählter Wert. Schulnoten stellen daher nur eine grobe Einschätzung dar und müssen in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Fällt eine einzelne 5 im Zeugnis auf, scheint es einen Konflikt entweder mit dem Unterrichtsinhalt, der Unterrichtsart oder dem Lehrer zu geben. Wenn jedoch mehrere Noten schlecht sind, kann es noch viele weitere Ursachen geben. Vieles davon hat mit Erziehung, Pädagogik und dem Alter zu tun. Erwiesenermaßen verhalten sich Jugendliche insbesondere in Bezug auf Schule in ihrer pubertären Phase anders als einige Jahre danach. Sachverhalte werden teilweise anders bewertet/wahrgenommen, als dies damals der Fall war.
Dennoch gibt es gerade in dem deutschen Schulsystem einige gewaltige Probleme, welche wahrscheinlich direkt mit den Schulnoten korrelieren:
1. der Schulunterricht ist in vielen Fällen realitätsfern und entspricht meist nicht der in der Arbeitswelt geforderten Leistung.
2. Lehrer sind mangelhaft entweder in Pädagogik oder dem Fach selbst ausgebildet und bieten wenig Weiterbildung für alltägliche Situationen
3. es gibt regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Schulen/Bundesländern und der Finanzierung von Bildungseinrichtungen
4. der Bildung wird gerade in armen Familien wenig Aufmerksamkeit durch die Bundesregierung geschenkt
5. die Finanzierung von Bildung gestaltet sich in den meisten Fällen positiver und einfacher in reicheren Familien (Chancengleichheit)
6. einzelne gute Bereiche eines Heranwachsenden werden meist gar nicht gefördert, stattdessen versucht man einem Mathematik-Begeisterten Picassos Kunstwerke nahe zu bringen, dabei zählt die Kunstnote 1:1 mit der Mathematiknote, obwohl die praktische Anwendung ungleich verteilt ist.
7. durch die gleiche Wertung der Bereiche kann der Numerus Clausus trotz erheblicher Stärken unter schlechten Fächern leiden
8. Unterricht ist nicht individuell, sondern an den Leistungsstandard einer Gruppe/Klasse angepasst (bei 30 Schülern sehr kritisch)
9. es gibt zu wenige Kontrollen beim Lehrpersonal selbst und der Lehrplan ist nur lose integriert
10. bei schlechten Noten wird häufig keine persönliche Bindung zum Heranwachsenden zur Ursachenforschung ausgebildet, das Verhältnis ist negativ beeinflusst.
11. Lehrer werden für ihre Aufgabe, Kindern Bildung nahe zu bringen, verhältnismäßig schlecht bezahlt
12. zu viele Stunden fallen wegen schlechter Organisation oder mangelndes Fachpersonal aus
13. schlechten Schülern wird nur mündlich aufgezeigt, dass ihr Verhalten schlecht für die eigene Zukunft ist. Stattdessen sollte man die harte Realität aufzeigen
14. der Lehrplan baut auf einigen vermeintlichen Intelligenzbestien auf, beispielsweise bestehen 95% der im Deutschunterricht gelesesenen Bücher aus Reich Ranickis Literaturkanon, stellt daher eine einseitige Sichtweise dar.
15. es wird wenig oder nicht demokratisch auf Schülerinitiativen eingegangen, Vorschläge sind in vielen Fällen nicht erlaubt oder werden nicht umgesetzt
16. Kritik kommt bei Lehrern sehr schlecht an und wird von diesen als irrelevant dargestellt, Schulnoten sollten in beide Richtungen vergeben werden, das wäre "fair"
Schulnoten selbst können gar nicht objektiv gestaltet werden, sofern die Lehrer nicht kontrolliert werden und (fast) freie Entscheidung über die gewählte Note haben. Fakt ist, dass Mädchen im Schnitt besser abschneiden als Jungen, was meiner Meinung nach sehr mit dem typischen Verhalten männlicher Jugendlicher zusammenhängt. Ansonsten würde sich der Schnitt an das nahezu gleiche Intelligenzverhältnis zwischen männlich/weiblich anpassen.
Voraussetzung für gute Bildung ist meiner Meinung nach ein flexibles Bildungssystem, in dem Stärken genauso gefördert werden wie Schwächen und bei jedem Kind am besten jährlich festgestellt wird, auf welchen Bereich man sich konzentrieren kann. Logischerweise widerspricht dieses System dem NC-System deutscher Hochschulen, wobei ich finde, dass der NC selbst nur eine grobe Ausrichtung darstellt und kaum repräsentatitv ist. Zudem ist es im Studium selbst völlig egal, wie euer Name lautet, wie ihr ausseht, wie ihr euch artikuliert und verhaltet, ihr seid nur eine Nummer im System, die sich per Leistung beweisen muss. Warum sollte man also einen allgemein gültigen NC Standard für die Aufnahme verlangen, um danach eben dieses System über Bord zu werfen?
Was ich absolut unverständlich finde ist die Bevorzugung köperlich anwesender (aber nicht beitragender) Schüler zu kranken Schülern, meistens bekommen Anwesende mündlich zumindest eine 4, während kranke, die nunmal nichts für ihren köperlichen Zustand können, trotz guter schriftlicher Noten absacken. Wenn mündlich relevant ist, sollte es ein 70%-30% Gefälle geben, statt 50-50. Auch hier wird gar nicht darauf eingegangen, welche Ursache Krankheiten haben oder gar warum ein Schüler/in längere Zeit abwesend ist.
Wahre Geschichte: ein Freund von mir war mal aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes für eine Woche abwesend, musste sich dann von der Lehrerin anhören, dass das zu absolvierende Referat mit 6 bewertet wird. Die Schulleitung wurde natürlich vorher kontaktiert, dass er nicht am Unterricht teilnehmen kann und um schriftliche Einreichung von Hausaufgaben bittet.
Zudem habe ich persönlich die Erfahrung gemacht, dass insbesondere Lehrer, die selber mal 5+ Jahre gearbeitet haben oder ein Studium belegt haben wesentlich fähiger sind, ihr Amt auszuführen als solche, die ausschließlich die normale Ausbildung durchlebt haben.
Insgesamt leidet unser Schulsystem an mangelnder Flexibilität und der konservativen Einstellung vieler Politiker, die Reform nach Reform beten, wodurch sich die Gesamtsituation aber kaum verbessert oder gar verschlechtert (verkürztes Abitur).
Bildung ist eines der höchsten Güter in Deutschland, wir sind nicht in der Lage, auf Dauer Selbstversorger zu sein und eine stabile Wirtschaft zu halten. Dennoch wird diesem Aspekt meiner Meinung nach sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt, nicht nur vom Staat ausgehend, sondern auch von privaten Firmen aus betrachtet. Dort werden Gewinne zu einem kleinen Teil investiert während der große Teil der Ausschüttung an die (bei großen Firmen) schon reichen Vorstandsmitgliedern geht.
Bildung funktioniert wie jedes andere Langzeitprojekt über Nachhaltigkeit, diesen Umstand haben wohl die wenigsten in der Gesellschaft verstanden oder ihr ehrliches Interesse geschenkt.